Was er damit meinte war: Alles Erreichte ist dann nichts mehr wert. Alles zurück auf Null! Das erstaunliche allerdings am Freitagabend war: Irgendwie fühlte es sich nicht an wie Spieltag Nummer eins der Saison 2011/12 – sondern vielmehr wie Spieltag 35 der gerade abgelaufenen Meistersaison.
Eingestellt hatte sich das Gefühl bereits vor dem Anpfiff. Denn nachdem die ausgesprochen fade Eröffnungszeremonie der DFL endlich ein Ende gefunden hatte, präsentierte der Anhang auf der Südtribüne noch einmal tausende Meisterschalen. Auf den Rängen war die Stimmung fast so ausgelassen wie im Mai und der Gegner aus Hamburg schaute dem Hochgeschwindigkeitsfußball der Borussia ebenso staunend zu, wie es die Gegner in der letzten Saison regelmäßig getan hatten. „Ein bisschen hatte es wirklich den Anschein, als würde das Spiel noch zur letzten Saison gehören“, befand auch Mats Hummels. Und während sich alle Verantwortlichen bemühten, den Ball flach zu halten und die Euphorie zu dämpfen, konnte der Innenverteidiger die Hochstimmung der Fans nachvollziehen.
„Natürlich dürfen die noch feiern, schließlich war es das erste Spiel nach der Meisterschaft“, sagte er und ging im Überschwang der Gefühle sogar noch einen Schritt weiter: „Es wird auch Spiele geben, an denen nicht so eine Volksfeststimmung herrscht. Aber ich hätte natürlich auch nichts dagegen, wenn es das ganze Jahr so weitergehen würde.“
Nichts dagegen hätte sicherlich auch Jürgen Klopp, wenn seine Akteure immer so agieren würden, wie in der ersten Stunde gegen den HSV. Denn es war wahrlich eine Freude, den Schwarz-Gelben bei ihrer Gala-Show zuzusehen. Uli Hoeneß und Rudi Völler, die unter den Ehrengästen weilten, schienen zwar um die Nase herum etwas blass zu werden, ansonsten aber überschlugen sich die versammelten Experten mit ihren Lobeshymnen genauso wie die 80.720 Zuschauer im Dortmunder Stadion und die Fernsehzuschauer in 199 Ländern. „Ich habe selten ein Auftaktspiel einer Mannschaft gesehen, die zu diesem Zeitpunkt schon so gut ist. Es scheint, dass der BVB genauso stark ist wie in der vergangenen Saison, wenn nicht sogar noch stärker“, lobte beispielsweise Bundestrainer Jogi Löw.
Ohnehin dürfte diesem das Herz aufgegangen sein, angesichts der hinreißenden Vorstellung von Mario Götze. Wann zuletzt vermochte es ein Teenager, Fußball-Deutschland so sehr zu verzücken, wie es dieser 19-Jährige dieser Tage tut? Schon in der Vorsaison, keine Frage, war er einer der wichtigsten Bausteine für den Gewinn der Deutschen Meisterschaft, doch nie trat er so dominant auf wie gegen den HSV. Um ihn drehte sich alles: Das 2:0, ein Tor zum Dahinschmelzen, erzielte er selber, das 1:0 und das 3:0 bereitete er vor, auch ansonsten lief alles über ihn, jeder Angriff, jeder Konter, fast jeder Torschuss. Götze war überall, Götze zauberte, Götze brillierte.
„Er war der beste Man auf dem Platz“, sagte Mats Hummels später und leitete damit die lange Nacht der Lobeshymnen ein. Ein kleiner Auszug: „Er kann alles am Ball“ (Kevin Großkreutz), „Er kann ein richtig Großer werden“ (Ilkay Gündogan), „Was der mit dem Ball macht, habe ich ewig nicht gesehen“ (Mehmet Scholl), „Er steht schon auf einer Stufe mit Mesut Özil“ (Franz Beckenbauer).
Und der Hochgelobte selbst? Der hielt es wie in der letzten Saison. Lächelte einmal kurz in Richtung der wartenden Journalisten und war innerhalb von Sekunden verschwunden.